05.
Juni
2011
Fremde Gezeiten mit großen Wellen oder doch eher weitestgehend Ebbe mit lauem Lüftchen? Irgendwie kommt »Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten« aka »Fluch der Karibik 4« meiner Meinung nach eher dem Letztgenannten nahe.
Dabei hat der Film doch eigentlich alles was man aktuell braucht: Untote, Vampir-Meerjungfrauen, den Mythos »heiliger Gral« in Form einer Quelle, eine ordentliche Dosis einfach nachvollziehbarer Handlungsstrang und obendrein noch das Sahnehäubchen »dieser Film läuft in ausgewählten Kinos auch in 3D«.
Jedoch hinterlassen zumindest bei mir die 136 Minuten den faden Nachgeschmack von »na, da ist ihnen wohl nicht mehr eingefallen?«. Nicht Fisch, nicht Fleisch oder wohl eher nicht Süß- oder Salzwasser. Brackwasser ist das, was über die Leinwand flimmert und verkrampft versucht die vergangenen drei Teile teilweise zu recyclen und teilweise alte Zöpfe abzuschneiden.
Zunächst hatte ich mich auf neue Charaktere gefreut. Nicht das ich mich an den Etablierten unbedingt satt gesehen hätte, allerdings tut frisches Blut bekanntlich meistens gut. Blöd nur, dass offensichtlich der pauschaltouristische Plot (man kommt ans Ziel ohne wirkliche Probleme und es ist wirklich alles »all-inclusive«) keine Zeit oder Lust für wirklich facettenreiche Charaktere hatte.
Nun gut, vielleicht liegt es auch an meiner Abneigung gegen Penélope Cruz, allerdings hätte man wohl auch ein Stuntdouble als Schauspielerin einsetzen können. Wobei die dann womöglich die Rolle der Angelica noch irgendwie mit Leben gefüllt hätte? So blieb es bei tiefen Einblicken in Ausschnitten des Films und das war's irgendwie auch schon.
Wie auch von jemand anderem direkt nach dem Kinobesuch angemerkt wurde war die Einführung des Charakters der Angelica auch extrem einfach: Eine Frau aus Jack Sparrows Vergangenheit. Punkt. Wenig originell und auch wenig informativ. Da hatten ja die Rumflaschen im ehemaligen Schmugglerversteck im ersten Teil der Quadrilogie eine längere Erklärung über ihre Daseinsberechtigung.
Deutlich imposanter der erste Auftritt von Blackbeard. Allerdings war es das dann auch schon wieder. Gut, der wirkliche Bösewicht im Film ist also in Erscheinung getreten – und er tut auch alles, das man dies bis zu seinem 3D-effektoptimierten Ableben nicht vergisst. Wenig überraschend, wenig beeindruckend.
Weitere Charaktere? Mal abgesehen vom ebenfalls wohl nur für den 3D-Effekt eingebauten Affen auf der Miniatur der Black Pearl, Captain Hector Barbossa und Joshamee Gibbs blieb irgendwie nur noch Captain Jack Sparrow übrig. Der Rest hat sich wohl eher für Individualtourismus entschieden anstatt auf dem extrem linearen Erzählverlauf dahinzudümpeln.
Okay, ich gebe es ja zu. Die eine oder andere Actionsequenz war unterhaltsam und faszinierend zugleich. Wobei auch die Flucht aus dem St. James’s Palace eher solide und nicht sonderlich innovativ einzustufen ist. Aber es ist wohl auch schwierig das Duell in der Schmiede oder auf dem Mühlrad noch irgendwie zu toppen. Statt klirrender Degen oder Säbel kam diesmal eben eine gehörige Portion Parkour[1] mit schnellen Schnitten (allerdings nur vom Bildmaterial) zum Einsatz.
Dennoch: Irgendwie bleibt alles ein wenig seicht und schlammig-zäh wie das Watt bei Ebbe. Es gibt eigentlich nur einen Erzählstrang, somit keine parallel erzählten Geschichten welche am Ende irgendwie zusammenfinden. Ein schönes Beispiel dafür sind die Spanier, welcher sozusagen als »dritte Macht« immer wieder mal kurz mitmachen dürfen, aber abgesehen von ihren farbenfrohen Kostümen eher blass bleiben und sich auch noch von Captain Jack Sparrow recht problemlos um den Finger beziehungsweise an eine Palme wickeln lassen. Selbst die Zerstörung der Quelle der ewigen Jugend ist eine so kurze Sequenz, dass man sie beinahe übersehen könnte. Dementsprechend auch ihr Abgang: So, die Quelle ist zerstört, wir fahren nach Hause...
Was auch ausbleibt: Eine packende Seeschlacht oder diverse Fechtduelle wie ich es aus meiner Kindheit noch von Filmen mit Errol Flynn. Dafür bekommt man wie eingangs schon erwähnt Untote und Vampir-Meerjungfrauen. Vielleicht hätte Buffy als »Vampire Slayer« auch noch eine – ebenfalls wenig facettenreiche – Rolle bekommen sollen?
Für mich lästig und nervig: Wenn kurz der Eindruck erweckt wird nun beginne ein separater Handlungsstrang und prompt wird wieder nichts daraus. Oder wenn die vermeintlich (Erklärung siehe unten als Zitat) unwichtige Voodoo-Puppe zwei mal kurz ein wenig mitmischen darf und anschließend prompt in eine Schlucht fliegt – wenn auch für die 3D-Freunde vermutlich schön in Szene gesetzt.
Vielleicht liegt es ja an mir, aber ich kann mich dann vom Film selbst nicht mehr fesseln lassen sondern schweife im Kopf ab. Mich beschäftigt zwischenzeitlich mehr die Frage wie viel so ein gläserner Sarg samt Meerjungfraudarstellerin, Wasser und Holzgestänge wohl wiegen muss und leide mit den armen, wortlosen Komparsen.
Wenig zuträglich ist es auch, wenn im Kino drei Reihen vor einem sich jemand über die mutmaßlichen Fußtritte gegen seine Lehne beschwert und dem hinter ihm Sitzenden seine Version von »Parler« nahebringt. Oder wenn es manche Menschen offensichtlich nicht schaffen für knapp 140 Minuten auf ihrem Sitz sitzenzubleiben. Jungs und Mädels: Vorher auf's Klo gehen. Danke!
Zurück zum Film. Ich habe ihn nicht in 3D gesehen weil ich davon nicht sonderlich angetan bin, siehe auch mein Beitrag zu Alice in Wonderland. Daher eben auch meine Mutmaßungen über jene Szenen, welche offensichtlich nur für 3D-Effekt eingebaut wurden wie eben der Flug der Voodoo-Puppe, der sterbende Blackbeard oder gleich zwei Mal der Affe auf dem Buddelschiff. Vielleicht hatten sie zwei Animationen erstellt und wo sie schon mal da waren baut man eben beide ein?
Ach ja, noch etwas zur Voodoo-Puppe: Wie man dann später im Internet nachlesen kann kommt nach dem Abspann noch eine Sequenz. Diese habe ich leider nicht gesehen da die Unsitte im Kino weiter um sich geift das Licht bereits hochzufahren obwohl noch etwas nach dem Nachspann kommt. Bei Matrix blieb es wenigstens noch lange genug dunkel im Kinosaal. Daher habe ich erst nachträglich die offene Frage bezüglich der scheinbar sinnfrei eingeflochtenen Voodoo-Puppe mitbekommen:
Nun gut. Demnach wird es höchstwahrscheinlich einen fünften Teil geben, in welchem die Puppe irgendwie eine Rolle haben wird (oder auch nicht). Hoffen wir nur das es nicht so endet wie beim werten Dr. Jones: Bitte keine Aliens und Kristallschädel weil den Drehbuchautoren gerade sonst scheinbar nichts mehr einfällt. Das war schon bei »Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull« eher blamabel als innovativ. Plötzlich im Erzählstrang auftretende Aliens funktionieren nur in einem Film wirklich gut: »Life of Brian« (Monty Python).
Mein Fazit: Irgendwie (übrigens das achte »irgendwie« auf dieser Seite, jetzt sind es sogar neun) hätte ich »Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten« nicht wirklich im Kino sehen müssen. Wer sich den Eintritt spart und beispielsweise eine leckere Pizza investiert hat unter Umständen mehr Freude an seiner Investition.
Selbst hartgesottene Fans der Reihe sind vermutlich eher enttäuscht als begeistert. Der Charme und Witz des ersten Teils wird meiner Meinung nach jedenfalls an keiner Stelle erreicht.
Wie war das noch gleich? Johnny Depp schaut sich keinen Film in den er mitgewirkt hat an? Vielleicht ist dies beim vierten Teil der Reihe auch wirklich besser so...
X_FISH