18.
März
2011
Netzteile werden derzeit von 350 bis über 1500 Watt angeboten. Doch was sagt die Watt-Angabe überhaupt aus? Wie viel Watt kommen wirklich aus dem Netzteil und was für ein Netzteil braucht ein einfacher Büro-PC?
Beantwortet werden die Fragen häufig mit viel »Fachchinesisch« oder auch mit wilden Mutmaßungen. Daher versuche ich heute mal möglichst einfach und verständlich zu erklären was es mit der Angabe »Watt« auf den diversen Netzteilen zu tun hat.
Was sagt »Watt« überhaupt aus? Watt ist eine physikalische Einheit und bezeichnet »Leistung«. Es gibt unterschiedliche Formeln wie man die Leistung berechnen kann, bei Netzteilen wird die »elektrische Leistung« in Watt angegeben.
Die elektrische Leistung wird durch die Multiplikation von Spannung und Strom berechnet:
Leistung = Spannung x Strom
P = U x I
Watt = Volt x Ampère
Somit muss man einfach alle Angaben von Volt addieren und dann den Wert mit der Summe aller Ampère-Angaben multiplizieren? Nein, so einfach ist es nicht beziehungsweise diese Rechnung wäre völlig verkehrt. Zusammengezählt werden die einzelnen Angaben der sogenannten »Spannungsschienen«. Dies wird im nächsten Abschnitt erklärt.
Wie rechnen die Hersteller aus welche elektrische Leistung ihr Netzteil hat? Bei jedem Netzteil ist üblicherweise die Nennleistung auf dem Typenschild angegeben. Dort ist die Belastbarkeit in Watt bei den einzelnen »Spannungsschienen« zu finden. Weiter unten auf dieser Seite sind ein paar Beispiele zu finden.
Die »Spannungsschienen« sind zum einen die unterschiedlichen Spannungen (12, 5 und 3,3 Volt) sowie sofern vorhanden auch die einzelnen »Schienen« für 12 Volt.
Wie kann man sich das mit den Schienen am Besten vorstellen? Es kommen unterschiedliche Kabelstränge aus dem Netzteil. Die Kabelstränge bestehen wiederum aus einzelnen Leitungen. Diese führen teilweise unterschiedliche Spannungen, teilweise sind auch mehrere Kabelstränge mit 12 Volt zu finden. Beispielsweise bei der Stromversorgung der Grafikkarte und der Laufwerke.
Eine »Schiene« wie bei der Eisenbahn steht in dem Fall für einen Weg den der Strom aus dem Netzteil nimmt. Im Netzteil selbst werden die unterschiedlichen Schienen an unterschiedlichen Stellen abgegriffen. Daher wird die Leistung des Netzteils sozusagen auf »mehrere Gleise« verteilt. Bei einem Bahnhof können mehrere Züge gleichzeitig einfahren ohne das sie sich gegenseitig behindern. Dies kann auf das Netzteil übertragen werden: Wenn mehrere »Gleise« (Schienen) gleichzeitig genutzt werden können, können mehrere Passagiere (Leistung) gleichzeitig den Bahnhof nutzen ohne das er überlastet wird.
Die Herstellerangabe zählt die Angaben der einzelnen Schienen zusammen. Als Beispiel die Tabelle von meinem Enermax Liberty ELT400AWT:
+3,3 Volt | +5 Volt | +12 Volt (1) | +12 Volt (2) | -12 Volt | +5 Volt (sb) | Total Power |
26 Ampère | 28 Ampère | 20 Ampère | 20 Ampère | 0,6 Ampère | 3 Ampère | 400 Watt |
150 Watt | 360 Watt (30 Ampère) | 7,2 Watt | 15 Watt | |||
377,8 Watt | 22,2 Watt |
Quelle: Typenschild eines Enermax Liberty ELT400AWT
Wie man sehen kann wird auf dem Typenschild des Enermax die jeweilige Leistung der Stromschiene erreichnet und am Ende die Summe aus den Leistungsangaben der Stromschinen gebildet.
Nicht alle Hersteller ermitteln so die Nennleistung ihres Produkts. Bei einigen wird als Nennleistung des Netzteils die aufgerundete Summe der 12-Volt-Schienen angegeben, andere Hersteller Runden die Summe aller Einzelleistungen abgerundet.
Somit könnte das Netzteil mit den gleichen Angaben bei einem Hersteller ein 360-Watt-Netzteil sein, bei einem anderen ist es ein 400-Watt-Netzteil und wenn nur die Summe der beiden 12-Volt-Schienen bei maximaler Belastung beider Schienen hergenommen wird, hätte es sogar 480 Watt, da wie folgt gerechnet wird: 12 Volt x 20 Ampere x 2 = 480 Watt.
Gerade die letzte Angabe (Summe der Maximalwerte aller 12-Volt-Schienen) ist bei sehr günstigen Netzteilen häufig zu finden. Das dieser theoretische Wert niemals erreicht werden kann suggeriert die Angabe auf dem Netzteil von Enermax. Dort wird als maximale Belastung von beiden 12-Volt-Schienen gleichzeitig maximal 30 Ampère angegeben.
Damit das Produkt dann noch potenter wirkt könnten alle sonstigen Werte zusammengezählt werden:
+3,3 Volt | +5 Volt | +12 Volt (1) | +12 Volt (2) | -12 Volt | +5 Volt (sb) | Total Power |
26 Ampère | 28 Ampère | 20 Ampère | 20 Ampère | 0,6 Ampère | 3 Ampère | 650 Watt |
150 Watt | 480 Watt | 7,2 Watt | 15 Watt | |||
630 Watt | 22,2 Watt |
Quelle: Eigene Arbeit, geschöntes Typenschild für ein fiktives Netzteil
Solche Tabellen sind teilweise auf supergünstigen Netzteilen zu finden, welche dann dem Käufer suggerieren sollen, sie würden satte 250 Watt mehr erhalten als bei einem Markennetzteil mit realistischen Angaben.
Leider ist die Angabe nicht normiert, daher gibt es für die Hersteller und Anbieter von Netzteilen keine Vorschrift wie sie die einzelnen Stromschienen zusammenzählen müssen damit für den Verbraucher ein objektiver Vergleich ermöglicht wird.
Der Wirkungsgrad gibt an wie das Verhältnis zwischen der Leistung am Eingang und der (umgewandelten) Leistung am Ausgang ausfällt. Beim Umwandeln tritt immer etwas Verlust auf. Bei Netzteilen wird die Wechselspannung aus der Steckdose in Gleichspannung für die Versorgung der Komponenten im Computer umgewandelt. Zudem werden aus den 230 Volt Wechselspannung aus der Steckdose 12, 5 und 3,3 Volt für die Komponenten im Computer.
Bei Netzteilen ist inzwischen fast immer eine Angabe »80 Plus«, teilweise verbunden mit der Bezeichnung eines Metalls (Bronze, Silber, Gold und Platinum) zu finden. Die sogenannte »80 PLUS«-Zertifizierung[1] gibt an, dass das Netzteil mindestens einen Wirkungsgrad von 80% aufweist.
In der Regel ist damit die maximale Ausgangsleistung gemeint und aus der Steckdose zieht ein Netzteil immer 10-20% mehr als der PC gerade verbraucht weil ein Netzteil ja keine 100% Wirkungsgrad hat.
Würde ein Netzteil mit 500 Watt Ausgangsleistung belastet werden, »zieht« es sich also 20% mehr auf der Eingangsseite, also aus der Steckdose. In einem Satz einfach formuliert:
»Ein 500W Netzteil mit 80%iger Effizienz benötigt 600W aus der Steckdose.«
Die Leistungsaufnahme liegt in der Regel deutlich unter dem angegebenen Maximalwert der jeweiligen Schiene des Netzteils.
In der Regel wird auf den Netzteilen ausgangsseitige Leistung angegeben. Wie oben schon bei der Berechnung der elektrischen Leistung erklärt wurde, kann die Gesamtleistung je nach Berechnung auf dem Typenschild für quasi leistungsgleiche Netzteile um über 50% der tatsächlichen Leistung abweichen.
Hinzu kommt noch ein weiterer Faktor: Welche Leistung wird überhaupt angegeben? Manche Hersteller geben eine mögliche Dauerleistung an, andere führen die Spitzenleistung an, welche jedoch nur kurzfristig vom Netzteil erbracht werden kann.
Somit gibt es auch hier viel Interpretationsspielraum. Gerade bei günstigeren Modellen sind oft »krumme« Wattangaben zu finden. Es werden beispielsweise 660 Watt statt 650 Watt angegeben. Der Käufer bekommt somit suggeriert 10 Watt mehr »Spielraum« zu haben. Und mehr Watt beziehungsweise Leistungspotenzial ist ja nie verkehrt?
Meine Meinung nachdem mehrere Hundert neu zusammengebauten, reparierten und geschlachteten Rechnern durch meine Hände gegangen sind: Günstige Netzteile müssen nicht schlecht sein. Allerdings sollte man gerade bei leistungshungrigen Spiele-Rechnern darauf achten wie viel Leistung wirklich pro Schiene angegeben wird beziehungsweise was Testberichte von (unabhängigen) Testseiten so berichten.
Ein günstiges Netzteil mit angeblichen 650 Watt für 30 Euro kann in einem normalen Office-Rechner viele Jahre seinen Dienst verrichten. In einen leistungshungrigen Spiele-Rechner mit zwei Grafikkarten und Vierkernprozessor würde ich es nicht einbauen.
Wie oben schon angedeutet ist es unrealistisch davon auszugehen, dass man alle Schienen im Netzteil maximal auslasten kann. Daher gibt es den Begriff »Combined Power«.
Diese Angabe ist nicht auf allen Netzteilen zu finden. Zudem ist auch hier wieder das Problem vorhanden, dass unterschiedliche Hersteller die »Combined Power« unterschiedlich berechnen.
Ich verwende für ein Beispiel wieder die schon oben verwendete Tabelle des Typenschilds des Enermax:
+3,3 Volt | +5 Volt | +12 Volt (1) | +12 Volt (2) | -12 Volt | +5 Volt (sb) | Total Power |
26 Ampère | 28 Ampère | 20 Ampère | 20 Ampère | 0,6 Ampère | 3 Ampère | 400 Watt |
150 Watt | 360 Watt (30 Ampère) | 7,2 Watt | 15 Watt | |||
377,8 Watt | 22,2 Watt |
Quelle: Typenschild eines Enermax Liberty ELT400AWT
Demnach wären es 150 Watt Combined Power für 5 Volt und 3,3 Volt beziehungsweise 377,8 Watt Combined Power für 12 Volt, 5 Volt und 3,3 Volt.
Der letztgenannte Wert entspricht in etwa der Maximalleistung des Netzteils.
Als Resultat habe ich die Information erhalten ich solle ein Netzteil mit »mindestens 550 Watt« kaufen beziehungsweise verbauen.
Verbaut ist *trommelwirbel* das als Beispiel schon mehrfach aufgeführte Enermax Liberty ELT400AWT. Der Betrieb ist übrigens absolut einwandfrei – und das seit über 2,5 Jahren.
Soviel zu den Herstellerangaben und (dubiosen) Netzteilleistungsrechnern.
Zum Abschluss dieser Seite noch ein paar Typenschilder und die darauf befindlichen Angaben der Hersteller. Es handelt sich bei allen fünf Netzteilen um Markennetzteile. »Günstige Netzteile« habe ich derzeit weder im Schrank herumliegen noch in einem meiner Rechner verbaut.
Enermax EG465AX-VE(G)
Neupreis 2007 ca. 70 Euro. Inzwischen gebraucht für unter 5 Euro zu bekommen. Zumindest habe ich für meins 5 Euro bezahlt. Voll funktionsfähig versteht sich.
Enermax EG451P-V
Neupreis Ende 1999 ca. 80 DM (also ca. 40 Euro). Es ist das älteste Netzteil was ich noch in Betrieb habe. Es versorgt aktuell einen Pentium IV 2,4 GHz mit zwei Festplatten und einer Matrox G450. Mangels Pentium-IV-Stecker ist schon seit ca. acht Jahren ein entsprechendes Y-Kabel verbaut. Der Rechner läuft nicht mehr häufig, aber zum Surfen unter Linux ist er immer wieder mal in Betrieb.
Fortron Source FSP215-50PNA (PF)
Das Netzteil gehört zu einem NEC Powermate mit Pentium IV 2,4 GHZ. Leider ist das Board defekt, der Rechner kann nicht mehr gestartet werden. Das Netzteil hingegen funktioniert noch immer problemlos und weil es so schön handlich ist setze ich es zum Testen von Boards ein. Im Internet wird das Netzteil für ca. 20 Euro angeboten – gebraucht.
Fortron Source FSP400-60HLN
Das Netzteil entstammt einem geschlachteten Fujitsu-Siemens Desktoprechner mit AMD Athlon 64 3700+
Das Gehäuse wurde mit einem No-Name-Netzteil für wenige Euro weiterverkauft, das Netzteil liegt parat falls bei irgendwem irgendwann irgendwo mal das Netzteil eines Büro-Rechners kaputt geht und kein Ersatz schnell zu beschaffen ist. In einen Spiele-PC würde ich es nicht unbedingt als erste Wahl setzen. Aktueller Neupreis: Etwa 35 Euro.
Enermax Liberty ELT400AWT
Last but not least das Netzteil, welches meinen aktuellen Spielerechner (grobe Auflistung der Komponenten siehe oben) versorgt. Der Neupreis lag 2008 bei etwa 60 Euro. Ich habe es gebraucht für einen Bruchteil dieses Betrags gekauft – weil ich ein Netzteil mit Kabelmanagement haben wollte.