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14.

Januar

2011

»Fahren Sie bitte mal an die Seite...«

Was passiert wenn man in die Schweiz fährt um sich ausgemusterte Bekleidung (teils Occasion, teils neuwertig) und Kisten kaufen zu wollen? Also die Einreise war jedenfalls problemlos. Vielleicht hätte auch der Beifahrer die Zöllnerin grüßen sollen? Wir werden es wohl nie erfahren, jedenfalls war die Ausreise nicht ganz so problemlos.

Es könnte natürlich auch am Größenunterschied von Fahrer- und Beifahrer gelegen haben, an den abgedunkelten Scheiben (welche in der Regel immer für Zöllner beim Überfahren der Grenze in der Schweiz interessant waren da sie wohl stets etwas dahinter vermuten) oder am freudigen »Hallo« des Fahrers. Irgendwie waren sie jedenfalls verdächtig und eine Kontrolle wert.

Daher: »Führerausweis und Personalausweis, bitte.« – »Augenblick, ich sitze sozusagen darauf.«

Vor zwei Jahren hätte ich problemlos mit einem Griff den guten, alten »rosa Lappen« parat gehabt. So hat es ein wenig länger gedauert bis ich zwischen den diversen Plastikkarten meinen Führerschein ausfindig machen konnte. »Fahren Sie bitte mal an die Seite...«.

Nicht nur das wir nicht das kaufen konnten was wir uns erhofft haben, nämlich günstige, gebrauchte Sachen aus dem »Army Liq Shop« in St. Gallen[1], nein nun wurden wir und das Fahrzeug auch noch vom schweizerischen Zoll kontrolliert.

Höchstwahrscheinlich war der Blick an unseren Köpfen vorbei in den hinteren Teil meines VW Bus der eigentliche Anlass für die Kontrolle, aber eins nach dem Anderen. Zwei Holzkisten habe ich erstehen können, für den bevorstehenden Umzug mit anschließendem Einlagern von Dingen, welche man nicht unbedingt jeden Tag braucht, aber Pappkartons nicht unbedingt stabil genug sind. Während dem Transport hatte ich sie einfach mit einer Decke abgedeckt, damit sie im Falle eines Falles nicht mit ihren Metallbeschlägen an der Innenverkleidung oder den folierten Scheiben kratzen können.

Das etwas seltsame und irgendwie auch etwas »getarnte« und somit undefinierbare Objekt (siehe nächstes Bild) hat vermutlich das Interesse des Zöllners geweckt, welcher uns dann mit seiner Kollegin ins Büro bat.

Zunächst die Taschen leeren. Jedem Beamten stand somit der Tascheninhalt der gegenüberstehenden Person für eine nähere Begutachtung zur Verfügung. Während der Zöllner zwar viele einzelne Stücke (unter anderem einen offensichtlich faszinierenden USB-Stick) begutachten konnte und damit recht schnell fertig war, hatte es seine Kollegin nicht ganz so einfach.

Zwar hatte der Führer des Fahrzeugs kaum Gegenstände in seinen Taschen (ein Schlüsselbund und seinen Geldbeutel), dafür hatte er ein Sammelsurium an Kassenzetteln, Notizzetteln, ausgeblichenen Gutscheinen, diversen Plastikkarten für diverse Anlässe und auch ein wenig Bargeld in seiner abgegriffenen Geldbörse.

Während sich der Beamte schon der Kontrolle der Taschen der Jacke widmen konnte, versuchte seine Kollegin noch zu ergründen, was es wohl mit dem abgelaufenen, einlaminierten Ausweis einer Videothek zu tun haben könnte.

Viel besser wurde es auch nicht gerade als sie mit dem nächsten Griff nach etwa zwei Minuten eingängigem Studium von Kreditkarten, Bankkarten und Kundenkarten schließlich bei der Sammlung von »Taxomex«-Quittungen der Hochschule in Olten von Februar bis Mai 2009 und der Tageskarte für das Stadtnetz Zürich vom 3. Oktober 2008 angekommen war.

Visitenkarten von Kommunalpolitikern aus Ulm, Mitarbeitern von EADS, einem IT-Unternehmen in der Schweiz und einem gewissen »freien Internetradio«[2] sorgten offensichtlich auch nicht gerade für Klarheit sondern hielten eher unnötig auf. Wenigstens konnte der Gutschein für »1x Kaffe und Kuchen« für ein wenig Lächeln im Gesicht sorgen während die Quittung für einen Sehtest in Höhe von 15 Franken wohl wieder für ein großes Fragezeichen in Form von Falten auf der jungen Stirn sorgten.

Hier einfach mal als Impression ein kleiner (!) Teil der diversen Quittungen aus meinem Geldbeutel...

Ja, ich könnte – nein, ich sollte meinen Geldbeutel wirklich mal wieder ausmisten. Aber zu meiner Verteidigung: Bei den »Taxomex«-Quittungen stand am Automaten man solle sie aufheben... Wie lange war nicht klar definiert.

Nach dem Geldbeutel ist vor der Taschenkontrolle. Jedoch scheine ich mit meinen diversen schweizerischen Belägen, welche teilweise fein säuberlich gefaltet waren und erst einmal entblättert werden mussten, den Bedarf nach weiteren, genaueren Untersuchungen gestillt zu haben. Die Taschen meiner Jeans wurden jedenfalls nicht weiter abgetastet, ich musste sie nicht einmal von Innen nach Außen stülpen. Ganz im Gegensatz zu meinem Mitfahrer, welcher offensichtlich ein verdächtigeres Profil aufgrund seiner Erscheinung ablieferte?

Übrigens war der Rucksack meines Mitfahrers schneller kontrolliert als alle zusammengefalteten Quittungen entblättert werden konnten.

Während wir unsere ebenfalls kontrollierten Jacken zurückbekamen wurden wir angewiesen, im Büro zu warten. Man wolle sich nun dem Fahrzeug widmen. Der Zöllner war schon fast aus dem Büro draußen als ich im freundlich aber in entsprechender Lautstärke hinterherrief er möge doch kurz warten, ich hätte schließlich noch den Schlüssel hier auf dem Tisch.

»Ja ist das Fahrzeug denn abgschlossen?« – »Natürlich habe ich mein Fahrzeug abgeschlossen bevor wir ins Büro sind.«

Wo denkt der gute Mensch denn hin? Natürlich schließe ich mein Fahrzeug ab wenn ich es nicht mehr sehen kann. Könnte ja sein das sonst etwas wegkommt...

Während ich darüber grübelte wie ich all die Zettel in meinem Geldbeutel vor der Kontrolle verstaut haben mag wurde ohne unser Beisein der VW Bus kontrolliert. Die beiden Kisten hinter der Schiebetüre waren offensichtlich ausgeladen worden, ebenso wurde meine »Weekendbox« im Bus geöffnet und der Inhalt (Campingzubehör) kontrolliert.

Leicht daran zu erkennen weil sie es nicht mehr geschafft haben das für Bustreffen angefertigte »AUTOGAS«-Kennzeichen in seiner Halterung neben dem Grauwasserbehälter zu klemmen.

Auch mein sauber verpackter Schlafsack und mein Werkzeugkasten hinter der Rücksitzbank waren kontrolliert worden. Vermutlich waren sie froh dort keine weiteren Zettel gefunden zu haben? Dafür wird sie der Anblick von sechs gebrauchten Zündkerzen und ein wenig sonstiges Geraffel eher zum Schluss gebracht haben, dass der Besitzer vom Fahrzeug wohl nicht nur in seinem Geldbeutel diverse Dinge längerfristig zwischenlagert...

Interesse hatte offensichtlich auch folgendes »Dokument« geweckt:

Der Beleg einer Tankstelle in der Schweiz war an einer Seite eingerissen, vermutlich hatten sie versucht ihn aus der Klemmbefestigung einfach herauszuziehen... Das konnte ja nicht gut gehen...

Morgen werde ich dann wohl mal meinen Bus wieder ordentlich einräumen. Zur PC-Tastatur hinter dem Beifahrersitz und dem einsamen Stahldeckel einer Munitionskiste am Fußboden haben sie zumindest mal kein Wort verloren...

Wieder zurück im Büro wurde ich jedenfalls nach meinem schweizerischen Führerausweis gefragt. Dieser würde noch existieren, ob ich ihn wohl gerade in meinem Besitz haben würde?. Nein, den musste ich doch für meinen deutschen Führerschein im Kreditkartenformat in Deutschland abgeben. Der müsste doch schon längst wieder in der Schweiz beim Straßenverkehrsamt gelandet sein?

Offensichtlich nicht. »Behörden eben« war das Fazit des Zöllners, schon auf dem Weg ins nächste Zimmer. Wie beiläufig erwähnte er dann noch, dass wir nun gehen können würden.

Ob sie nun einen Bericht anfertigen müssen? Wäre bestimmt interessant zu lesen:

»Verdächtige führten in zwei Holzkisten mit der Beschriftung 'Dekontaminationsmaterial' eine haushaltsübliche Menge an Milcherzeugnissen aus der Schweiz aus. Der Fahrzeugführer scheint sich oft in der Schweiz aufzuhalten und als Steckenpferd das Sammeln von Quittungen und Belegen im ganz großen Stil zu pflegen.« So oder so ähnlich könnte eine Passage des Berichts jedenfalls aussehen...

X_FISH


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